Viel hatten sich meine Frau und ich vorgenommen für den 7. November 2009. So beeindruckend die fast 700 Programmpunkte der Nacht des Wissens sind, so ernüchternd die individuelle Programmplanung. Alles, na ja fast alles, liest sich sehr interessant, wohin also gehen? Unsere Routenplanung kommt beim Frühstück schnell ins Stocken, zumindest notieren wir uns die Einrichtungen, die wir ansteuern wollen: DESY, Helmut Schmidt Universität, Hochschule für Angewandte Wissenschaften und KlimaCampus notieren wir auf einem Post-it und kleben ihn ins Programmheft. Konkrete Programmpunkte und Uhrzeiten notieren wir erst gar nicht, scheint ohnehin schwer einzuhalten.
Los geht also um 15:30 Uhr Richtung DESY. Das ist recht naheliegend, denn die Elektronenforscher hatten schon ab 12 Uhr kombinierten „Tag der offenen Tür“ und „Nacht des Wissens“. Das DESY ist weniger eine Einrichtung im herkömmlichen Sinne mit einem zentralen Gebäudes, sondern eher ein eigener Stadtteil in Bahrenfeld mit Bistros und so weiter. Als uns der Bus hier rauswirft, wird schnell deutlich: Voll ist es und nicht so ganz einfach, sich auf dem Gelände zurechtzufinden. Aber überall sind freundliche Menschen des DESY, die sich um Orientierungsgenies wie mich kümmern. Und wenn man gar nicht weiter weißt, nimmt man einfach einen der vielen Shuttelbusse auf dem DESY-Areal, die bringen einen dann wohin, vielleicht nicht immer dahin wohin man wollte, aber nun denn.
Wie ist das denn nun mit der Antimaterie?
Im DESY rennen wir viel rum, lesen Schautafeln über Protonenkanonen, versuchen die eine oder andere Abkürzung zu entziffern, glotzen in Kontrollräumen auf Bildschirme mit allerlei Linien und Zahlen, lauschen den Gesprächen zwischen Wissenschaftlern und interessierter Öffentlichkeit und gehen sogar in den stillgelegte HERA-Tunnel – aber so richtig viel verstanden haben wir letztlich nicht. Das ist aber weniger das Problem des DDESY oder Nacht des Wissens, sondern ist der Thematik und mangelhafter Physikkenntnisse geschuldet. Immerhin: Die Sache mit der Antimaterie scheint aber nicht ganz so absurd zu sein wie man nach Dan Browns Illuminati-Verfilmung glauben könnte. Im DESY ist alles einen Tock gigantischer und unfassbarer – die Beschleunigung, der Magnetismus, das Zusammenspiel der Forschungsleistungen, die Datenmenge oder auch nur das Wirrwar von Kabeln und Maschinen. Faszinierend sind tatsächlich die Rätsel über die Grundlagen der Physik. Eine DVD zum CERN sammel ich auch noch ein, die Sache mit dem Urknall hat mich schon gepackt.
Als wir begleitend von klassischer Musik die 1,5 Kilometer im HERA-Tunnel abgelaufen sind, liegen wir bereits deutlich hinter unserem gefühlten Zeitplan.. Am DESY kriegen wir sofort den „Nach des Wissens“-Shuttlebus. Im Zweifel immer nach einem Plakat mit einem Huhn Ausschau halten, dann kann man so falsch nicht sein. Unser Ziel ist ambitioniert: So schnell als möglich zur Helmut Schmidt Universität. Der Bus gibt ordentlich Gas, aber das zieht sich natürlich einmal quer durch Hamburg mit einmal Umsteigen am Berliner Tor.
Shakespeares gesammelte Werke am Strand lesen
Die Helmut Schmidt Universität behauptet, von allem etwas zu haben: Technik, Wirtschafts- Sozial- und Geisteswissenschaften. Im Foyer bewundern wir zunächst einmal „Air Jelly“ – eine ferngesteuerte Qualle, die nicht durchs Wasser gleitet, sondern dank elektrischen Antriebs und einer intelligenten, adaptiven Mechanik durch die Luft schwebt. Das sieht irre aus – auch auf meinem Facebook-Account –, ist eine geniale Zurschaustellung der Wunder der Natur und zeigt sehr anschaulich, inwiefern wir uns bei der Erforschung der Zukunft vom Wissenschaftler Natur leiten lassen sollten.
Weiter geht es in der gut ausgestatten Uni-Bibliothek einen Vortrag zu den aktuellen E-Book-Readern, Kindle und Co lassen grüßen. Am besten schneidet bei den Usern übrigens wohl das IPhone ab, wusste gar nicht, dass man damit auch Bücher lesen kann.. Die einen oder Urheberrechtsfrage scheint in Zeiten von Google Books wohl noch zu klären sein, Vergleiche zur Musikindustrie drängen sich auf. Ich wünsche dem Buch hierbei viel Glück.
Nebenan beginnt gerade der Vortrag „Mag ich’s oder mag ich’s nicht“ – wie wir täglich Urteile bilden. Faszinierend, entlarvt es uns doch als chronisch emotional und irrational. Wir lernen ein wenig Fachvokabular der Psychologie und fühlen uns in unserem Hang zu schmeichelhaften Urteilen über uns selbst entlarvt. Der Dozent erklärt, dass wir im Leben demnach so mancher Heuristik anheimfallen, vor allem die selbsternannten Experten haben es uns angetan. Der vortragende Experte hat mich mit seinem trockenen Humor ohnehin schon als Follower gewinnen können, extrem lässig wünscht er allen Gästen im überfüllten Hörsaal einen schönen Abend, nachdem er sich in seinen Powerpoint-Präsentationen verheddert hat, seine letzte Folie nicht mehr finden kann und in seiner Not auch schon mal auf Laufwerk A – also Unter den Disketten – danach sucht. Aber es war ohnehin alles gesagt.
So eine Wissensnacht ist auch eine Frage der Energie
Nach dem Psycho-Vortrag sind jetzt auch schon nicht mehr ganz so energetisch und haben die Station Klimacampus auf dem Post-it auch schon gestrichen. Unsere dritte Station ist dann nur noch ein kurzer Abstecher in der im Foyer der HAW am Berliner Tor – hier steht fast alles im Zeichen der erneuerbare Energien und modernster technischer Anwendungen. Das Who is Who der hanseatischen Energiekompetenz. Auch hier ist der Andrang und Wissensdurst der Besucher groß. Das macht Mut, wenn so viel Menschen sich um die Zukunftsfähigkeit ihrer Stadt in Energiefragen Gedanken machen.
Mit einem guten Gefühl und einer Brause geht es dann um 23:30 Uhr auch schon wieder zum Shuttle und Richtung Zuhause – ein spannender Abend geht zu Ende. Hat Spaß gemacht!